· 

Hochsensibel bewegt

Kurz nach Feierabend...ich habe entschieden noch zum Sport zu gehen, aber bitte nicht zu anstrengend. Es war wieder so laut auf der Arbeit, dass ich jetzt etwas Ruhiges brauche. Ich entscheide mich für Yoga, das soll ja eher ruhig sein. Entschlossen betrete ich den Raum und stelle fest, dass außer mir noch gefühlt hundert weitere Yogis den Weg zum Kurs gefunden haben. Es ist eindeutig zu voll! Oder geht das nur mir so? Alle anderen scheinen recht entspannt auf ihrer Matte zu sitzen. Gekonnt lege ich die Matte sehr weit hinten hin, da dort noch sehr viel Platz ist. Meine Mattennachbarin trägt blumiges Parfüm und vor mir streiten sich zwei Männer lautstark um den besten Platz. Ich bin genervt. Jetzt schon...

Endlich geht es los. Ein freundlicher Yogalehrer öffnet energetisch die Fenster des Raumes, um die frische Luft noch intensiver ein - und wieder ausatmen zu können. Bei mir zieht es. Oder? Sonst scheint es aber keinen zu stören, oder merkt es keiner? Ich bin irritiert, aber zu unsicher, um etwas zu sagen.

Wir dürfen uns direkt auf die Matte legen. Wie schön, endlich ein bisschen Ruhe. Die Tür geht auf und lautstark um Verzeihung bittend betritt eine energische Frau den Raum, steigt über mich und knallt ihre Matte mit Schwung direkt neben meine. Innerlich balle ich die Faust und lasse mich äußerlich zu einem Stöhnen hinreißen. Immerhin.

Mit der ersten Bodenübung kommt Bewegung in die Sache. Mein Vordermann streckt mir seinen Schweißfuß entgegen und ich weiche instinktiv etwas zurück. Nun habe ich nach hinten keinen Platz mehr und seitlich muss ich auf die Nachzüglerin achten. Ich weiß nicht so recht, wie ich meinen Körper bewegen soll und wo er eigentlich genau hinsoll. "Jetzt stell Dich nicht so an" meldet sich ein alter Glaubenssatz, "die anderen kriegen das ja auch hin." Es fühlt sich an, als müsse ich mich permanent in alle Richtungen drehen, damit ich auch bloß genug Abstand zu den anderen halten kann. Das ist mir hier alles viel zu nah. Ich will nach Hause, aber das kann ich jetzt nicht machen. Sonst bin ich wie die anderen, die einfach zu spät kommen und keine Rücksicht nehmen. Ich halte durch...beiße auf die Zähne, mein Körper ist angespannt. 

Der freundliche Lehrer kündigt die Endentspannung an. Ich lege mich hin, atme ein und wieder aus, versuche mich in den Boden sinken zu lassen. Aus dem Nachbarraum höre ich einen dröhnenden Bass und oben drüber stampfen Füße in den Boden. Der Schweißfuß vor mir schnarcht mittlerweile. Meine Gedanken kreisen nicht nur, sie schreien mich förmlich an: "Was ist das denn, wie lange dauert das denn noch?" Mein Körper kann nicht ruhig liegen. Ich konzentriere mich noch ein wenig und döse etwas weg. Das Handy der Nachbarin klingelt. Das wars dann. Ich schrecke auf und bin voll da und von da an hochkonzentriert. Meine Arme und Beine machen zuckende Bewegungen. Ich komme nie mehr hier her. Nie mehr. Zum Abschluss verströmen Räucherstäbchen einen mir unangenehmen Duft. Ich muss ganz schnell hier raus. Namaste.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0