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Wie Social Media meine alten Glaubenssätze getriggert hat und was ich daraus gelernt habe

 

 

Es ist schon wieder spät am Abend und noch immer arbeite ich an meinen Social Media Posts. Draußen wird es langsam dunkel und die Katze schnarcht auf dem Sofa schon sanft vor sich hin. 

Schon wieder so viele Stunden gedacht, geschrieben, Bilder gesucht, versucht witzig und kompetent zu sein 

Jedoch meine innere Zweiflerin ist in absoluter Topform. Sie hat sich bei ihrer Freundin Angst untergehakt und sie stehen nun gemeinsam in der ersten Reihe meines inneren Teams:

 

Ich kann das nicht“ – Wenn Social Media alte Wunden aufreißt

Das wird doch eh nichts. Sieh doch endlich ein, dass du keine Ahnung von Marketing hast“, nörgelt sie vor sich hin.

Wen interessiert schon, was du schreibst oder denkst. Wirf doch einfach mal einen Blick auf deine Likes und deine Blogartikel liest eh niemand. Das ist ja wohl der Witz“. Sie provoziert, meckert und untergräbt willentlich mein Selbstbewusstsein und meine Motivation.

Fräulein Angst ist ihre große Supporterin: „Du wirst pleite gehen, wenn du selbständig bist. Das kannst du einfach nicht. Du wirst nicht genug Geld verdienen. Sieh es doch endlich mal ein.“ 

Ihre Worte treffen mich mitten ins Herz und streifen meine Achillesferse.

Ich lese meinen Beitrag, den ich vor 5 Minuten noch obergenial, total witzig und informativ fand und ertappe mich dabei, wie ein Hauch von Unsicherheit in meine Körpermitte kriecht. Mir wird ganz mulmig. Was wenn es stimmt? Was wenn es wirklich nicht klappt?

Ich sehe mich schon, wie ich mich auf alle möglichen Jobs bewerbe, getrieben von dem Gefühl versagt zu haben und nun alles annehmen zu müssen, was sich bietet.

Die Angst grinst hämisch vor sich hin. „Siehst du, jetzt merkst du es auch.“

 

Ich merke, dass ich mich mal wieder habe einlullen lassen, von diesen negativen Emotionen, die mir einzureden versuchen, dass ich es nicht bringe. Ich erkenne sogar den Glaubenssatz, der dahinter steht, der sich tief in meinem Inneren eingenistet hat und es sich dort schon mehrere Jahrzehnte gemütlich gemacht hat: „Ich bin nicht gut genug.“ Immer wenn ich in mir den Wunsch nach Veränderung spüre, wenn ich weitergehen will, wenn ich Mut schöpfe, kämpft sich dieser Glaubenssatz nach oben und schreit mich an. Manchmal bringt er noch seine Kumpels mit. Sie treten als Gemeinschaft auf, solidarisieren sich untereinander und rufen abwechselnd: „Du schaffst das sowieso nicht.“ „Du bist zu dumm und zu schwach.“ „Du bist viel zu empfindlich.“

 

Mein innerer Schutzschild – Warum ich manchmal lieber verschwinde

Da ist sie wieder meine Empfindsamkeit, da ist mein hochsensibles Wesen,das ich so sehr mag. Dennoch bringt mich gerade dieses Persönlichkeitsmerkmal dazu, dass ich an mir zweifele, dass ich Angst bekomme, dass ich glaube, was ich früher oft gehört habe. In einer Zeit, in der es wenig Raum für Fehler gab, in der ich Ablehnung und Versagen erlebte, in der mir die emotionale Unterstützung fehlte mit diesen Herausforderungen umzugehen...in dieser Zeit habe ich Schutzmechanismen aufgebaut, die mir heute zum „Verhängnis“ werden. Angst und Zweifel an mir selbst sind die Könige meiner Schutzmechanismen. Sie lassen mich hadern, sie sorgen für Stillstand. 

In meiner Kindheit waren sie überlebenswichtig. Ich brauchte sie, damit ich atmen konnte, damit ich aufstehen konnte, damit ich handlungsfähig blieb. Klingt komisch oder? War aber wirklich so!

Sie sorgten dafür, dass ich immer auf der Hut war und eher vorsichtig und schüchtern agierte, um keinen Ärger zu bekommen.

Als Kind hatte ich keine Wahl: Ich musste zur Schule gehen, ich musste den Leistungsanforderungen genügen, ich musste mich als sensibles Kind meiner Umgebung anpassen, damit ich mich sicher fühlte. Wenn es schwierig wurde, zog ich mich zurück. Entweder in mich selbst oder in einen geschützten Raum, wie mein Zimmer. 

 

Meine Rückzugsstrategie ist eine meiner großen Superkräfte. Das kann ich richtig gut. Das habe ich perfektioniert. So kann ich unsichtbar bleiben, kann vermeiden, dass ich für Fehler bestraft werde. Ich entgehe sanften Kritikern, heftigen Diskussionen und dem großen Shit Storm, den ich irgendwo tief in mir drin zu befürchten glaube, wenn ich mit mir in die Sichtbarkeit gehe. 

Wer sollte schon mögen, was ich tue? Die finden das bestimmt alle doof und Kommas setzen kann ich auch nicht.“

Ich ergehe mich in Selbstmitleid und bin in meinem verkorksten Nervensystem gefangen. Es fühlt sich an, als würde ich durch Gitterstäbe sehnsuchtsvoll nach außen starren in die Weite der Möglichkeiten, in die Fülle meines Lebenstraums, der Selbständigkeit.

Doch ich schaffe es nicht mich zu befreien, auch wenn mein Versand völlig klar ist und den Realitätscheck schon hundertmal bestanden hat. 

Ich weiß sogar, dass ich ein falsches Selbstbild von mir habe und mein Blick auf meine Realität völlig verzerrt ist. Dennoch lasse ich es zu, dass mir die Zweiflerin den Abend versaut und die Angst mein Leben torpediert. Ich bin sogar wütend auf die beiden und auf mich, weil ich es nach all den Jahren nicht geschafft habe sie loszulassen.

 

Spielt Social Media mit unseren Ängsten?

Aber stimmt das wirklich oder erwischen sie mich einfach nur in einem schwachen Moment? 

Es ist Abend und ich bin müde. Ich bin kein Abendmensch, eigentlich hasse ich es sogar, abends zu arbeiten. Mein früher Vogel schläft schon lange und meine Energie wärmt ihn.

Ich mache das nur, weil ich den Druck spüre. Diesen Druck auf Social Media mithalten zu müssen, damit es etwas wird. Regelmäßige Posts abzusetzen, damit die Menschen mich wahrnehmen, mir folgen und letztendlich bei mir kaufen. 

Jeder zweite Instagram Beitrag suggeriert mir, dass das die einzige Methode zum Erfolg ist. Marketing Expert*innen zeigen sich in hektischen Reels mit einer starken Verkaufsstrategie, vor allem für sich selbst. Auf LinkedIn bekomme ich fast täglich Angebote von Menschen, die glauben zu wissen, wie sie mein Business voranbringen. Sie nutzen nahezu ausnahmslos ähnliche Textbausteine in ihren Nachrichten, um mich restlos von sich zu überzeugen. 

 

Social Media kann hochsensible Menschen wie mich nicht nur fördern, sondern auch massiv verunsichern. Gerade dann, wenn dadurch alte Glaubenssätze getriggert werden, weil sie unbewusst immer noch mitwirken. Ständig vergleiche ich mich mit anderen hochsensiblen Kolleg*innen: „Wie macht sie das mit der Sichtbarkeit? Warum ist sie so erfolgreich? Er zeigt so ungeniert seinen Lebensstil. Ist das wirklich echt oder ist diese Echtheit eine Inszenierung?“

Ich fühle einen massiven Leistungsdruck, der mich nicht nur in die Sichtbarkeit zwingen will sondern eine regelrechte Sichtbarkeitsangst in mir auslöst: „Du musst sichtbar, kompetent und erfolgreich sein, sonst interessiert sich niemand für dich.“

Dabei bin ich schon überreizt, wenn ich die Apps nur öffne. Schnelle, hektische Bilder, Informationen schießen auf mich ein, die emotionale Anregung überflutet mich. Es ist mir zu viel, zu schnell, zu anstrengend. Tausend Meinungen, tausend Trigger.

 

Diese Marketing Expert*innen wissen wirklich, wie man alte Muster triggert: „Du bist nicht gut genug. Andere sind viel besser als du. Sie sind mutiger, klarer, kompetenter und erfolgreicher. Sie haben immer etwas zu sagen und du? Deine Posts sind langweilig und irrelevant.“

Stimmt, meine Posts sind oft eher langweilig. Das kommt daher, dass ich als hochsensibler Mensch diesem Druck nicht gewachsen bin und dann einfach irgendwas poste, nur damit ich poste. Es ist der „ich muss liefern, sonst bin ich wertlos“ - Druck. Es ist meine hochsensible Reaktion auf ein durchdachtes System, dass genauso funktioniert.

Ich poste etwas, nur um dabei zu sein und mein innerer People Pleaser freut sich, weil er genau das schon lange kennt. Es befördert ihn geradewegs in seine Wohlfühlzone.

 

Doch dies hat alles gar nichts mit mir selbst zu tun. Es fühlt sich an, als sei ich jemand Fremdes, als hätte ich meine innere Stimme, meine Kreativität komplett verloren. Ich bin nicht mehr authentisch. Ich bin nur noch unsicher. 

Das Ergebnis: die Posts funktionieren nicht und was mache ich? Ich ziehe mich zurück in mein kleines Schneckenhaus und feiere dort diese Superkraft:

Das bringt doch eh nichts. War ja klar...bla,bla,bla.“ Ich checke sogar mein Konto und überlege, ob ich nicht ganz schnell jemanden aus dieser Marketing Bubble beauftragen sollte. Sollte nicht einfach so jemand mein Marketing für mich machen?

Es fühlt sich an, als würde ich mich selbst verraten, nicht mit Absicht, sondern eher aus der Not heraus, weil meine Angst getriggert wurde, weil es mir wichtig ist, denn es geht um meinen Lebenstraum. Ich fühle mich verletzlich und übertrete meine eigene innere Grenze.

 

So fühlt sich Sichtbarkeit richtig an

Erstmal drüber schlafen“ ruft meine Intuition mir leiser Stimme. Doch ich habe sie wahrgenommen und ich folge ihr, denn auch sie ist eine Superkraft. Selbst wenn sie leise zu mir spricht, wirkt sie tausendmal stärker als alle anderen Stimmen oder Kräfte in mir. 

 

Vielleicht ist mein Weg auch einfach ein anderer: Weniger laut aber dafür echter. Weniger Reichweite, aber dafür echte Resonanz. Vielleicht geht es zunächst darum zu lauschen, was in mir ist, was wirklich gesagt werden sollte und was nicht. Es geht darum, meinen eigenen inneren Rhythmus zu entwickeln und damit zu arbeiten und nicht dagegen. Es ist ok, dass meine Sichtbarkeit anders ist: sanfter, stiller, verbundener und vor allem echt.

Hochsensible Menschen wie ich ticken anders, und daher darf auch ihre Art sichtbar zu werden anders sein. Sie sollte von innen nach außen entstehen und nicht von außen nach innen. Es geht nicht darum sich in eine Marketing Maschinerie einzugliedern, sondern um Kommunikation die zu mir, zu meinem Nervensystem, zu meinen Werten und meiner inneren Wahrheit passt.

Es geht darum, das aus sich herausfließen zu lassen, was wirklich gesagt werden will und nicht einem strengen Zeitplan zu folgen. Es sollte wahr sein, menschlich mit Haltung, Herz und einer Geschichte. Es darf auch still sein, dann wenn ich es brauche.

Für mich geht es um meinen Seelen-Post. Ein Post, den ich selber gerne lesen möchte. Ein Post mit dem ich mich verbunden fühle, ein Post, der mein Wesen spiegelt und der auf die Menschen wirkt, die mich wirklich sehen wollen.

Ich mache mich nun auf den Weg dorthin. Kommst du mit?

 

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast diesen Blogartikel zu lesen.

 

 

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